Zugegeben: Diesen Vergleich haben schon andere vorher bemüht. Doch so wenig originnell er sein mag, so treffend und lehrreich ist er dennoch. Auf vielfältige Weise, wie sich im Folgenden zeigen wird…
Der Öl-Vergleich funktioniert auf mehreren Ebenen…
Wasserstoff ist ein Energieträger der Zukunft
Mit der Energiewende – weg von fossilen hin zu erneuerbaren Energien – eröffnet sich die Möglichkeit, Strom als das „neue Öl” zu sehen. Dies abgeleitet von der Tatsache, dass wir in Zukunft wohl einen Großteil des Primärenergiebedarfes unserer Gesellschaft aus Strom decken werden.
Wie das?
Jede Gesellschaft braucht Energie. Ob das Kochfeuer im Busch oder die heimelige Saunakabine – für Industrie, Mobilität und nicht zuletzt für das warme Eigenheim brauchen wir Energie. Die wird aktuell erzeugt aus einem variablen Mix von Braun- und Steinkohle, Erdöl und -gas, Kernenergie, und, ach ja, auch erneuerbaren Energiequellen. Aufgrund der großen Verbräuche wird diese in der Einheit PetaJoule gemessen.
Joule, das ist die „moderne Konkurrenz“ zu den früheren Kalorienangaben auf der Müslipackung, also ein Maß für den “Brennwert” oder eben: die enthaltene Energiemenge.
Die Energieversorgung der Gesellschaft ist ein heikles System – Busse wollen fahren, Wohnungen warm werden und auf keinen Fall soll während des oh so wichtigen Fussballspiels der Strom ausfallen. Grund genug, diesen Markt den “Profis” zu überlassen – oder zumindest denen, die sich dafür halten: Den Shells, Exxons, E.ons, Gazproms und wie sie alle heißen.
Nur: Wenn wir ernst machen mit der Energiewende, wenn der kleine grüne Wurmfortsatz der Erneuerbaren so groß werden soll wie der ganze Balken – was passiert dann mit den großen Playern?
Neben der Empfehlung, einfach weniger Primärenergie zu verbrauchen (z.B. durch besser gedämmte Häuser), ist die Abkehr von fossilen Energieträgern elementar.
Die Erzeugung erneuerbarer Energien erfolgt in den meisten Fällen – von den Solarthermiekollektoren der Heizungen einmal abgesehen – in Form von Strom. Allerdings unglücklicherweise meistens nicht unbedingt dort und dann, wenn wirklich Energie nachgefragt wird.
Was benötigt wird, ist Strom, aber in lager- und transportfähiger Form.
Die Energiewende ist ein Infrastrukturproblem
Die ersten Rechnungen zeigen: Zu den bestehenden 30.000 Windrädern in Deutschland müssten ca. 10.000 zusätzliche dazukommen.
Und nach wie vor muss Strom zu den Verbrauchern transportiert werden: Wenn in einer Straße 30 Häuser ihre Öl- und Gasheizungen mit jeweils – bescheiden gerechneten – 7,5 kW Heizleistung durch entsprechende Wärmepumpen oder elektrische Heizungen ersetzen, dann überstiege deren Gesamtleistung schnell die Kapazität der lokalen Stromnetze. So, wie im großen Maßstab schon heute der Transport von Strom aus Offshore-Windkraftanlagen zu den Industrieanlagen in Süddeutschland ein erhebliches Problem darstellt.
Eine weitere Herausforderung sind die Netzschwankungen, die durch auf- und abflauenden Wind oder Wolken vor der Sonne auftreten, und ausgeglichen werden müssen. Es braucht mehr Leitungen und Leitungskapazität, und zusätzlich ein schlaues System, um Überkapazitäten vorübergehend und auch längerfristig zu speichern – das Schreckgespenst von der “Dunkelflaute” und drohender Blackouts wird immer wieder von den Gegnern der Energiewende beschworen.
Es müssen Leitungskapazitäten ausgebaut werden – auf lokaler Ebene, um zu gewährleisten, dass auch die vorgesehene Flotte Elektrofahrzeuge zuhause geladen werden kann.
Die ersten Staaten haben damit schon Probleme, und auch für Deutschland gibt es erste Warnungen.
Mit entsprechend „dicken“ Leitungen könnte auch die bisherige Strategie funktionieren: Offshore-Windstrom in der Nordsee ernten, wo die Windspargel außer ein paar nicht wahlberechtigten Wassertieren kaum jemand stören, und dann durch eine zu bauende dicke Leitung (“Südlink”) zu den Industriezentren der schwäbischen und bayrischen Autobauer, Chemiker etc. zu schicken.
Leider scheint das Vorhaben dem Zeitplan hinterherzuhinken.
Noch ist völlig unklar, ob die Gletscher entsprechend der Verzögerung des deutschen Genehmigungswesens auch beim Abschmelzvorgang innehalten. Vielleicht ist es an der Zeit, „Abschmelzen verboten“-Schilder aufzustellen. Scherz beiseite, das Thema ist im Interesse unserer Kinder zu ernst.
Alternativ bietet sich der vielbeschworene Ausbau der Wasserstoffwirtschaft an.
Vorbemerkung: Erstaunlicherweise ist Wasserstoff das einzige Gas, von dem in mehreren “Farben” gesprochen wird. Einen Einblick in die “Farbenlehre” von Wasserstoff gibt das BMBF: https://www.bmbf.de/bmbf/shareddocs/kurzmeldungen/de/eine-kleine-wasserstoff-farbenlehre.html, ausführlicher hier https://www.ikem.de/wp-content/uploads/2021/01/IKEM_Kurzstudie_Wasserstoff_Farbenlehre.pdf, S. 8.
Auch wenn die Franzosen gerne nuklear hergestellten “roten” Wasserstoff ins Spiel bringen und die Gasindustrie ihr Erdgas gerne mit – bisher nicht funktionierender Abspaltung und Lagerung von CO2 “blau” und damit CO2-“arm” waschen will: Für die Energiewende sollte eigentlich nur grüner Wasserstoff, also mit erneuerbaren Energien hergestellt, zum Einsatz kommen.
Wasserstoff hat große Vorteile – er lässt sich lagern (unter Druck, z.B. in Salzkavernen, wie sie bisher schon zur Erdgaslagerung benutzt werden) und in Pipelines transportieren – unauffälliger als Stromleitungen. Die Energiedichte des Wasserstoffs ist hoch, d.h. er braucht im Vergleich zur Stromleitung nur 1/10 des Querschnitts bei derselben transportierten Energiemenge. Und die Infrastruktur ist bereits weitgehend vorhanden, denn das bestehende Pipelinenetz für (Erd-)Gas lässt sich für Wasserstoff nachrüsten – das ist wesentlich unaufwändiger als neue Stromtrassen zu verlegen.
Aber das ist nur die nationale Brille – die Wasserstoffstrategie der Bundesregierung (und vieler anderer Europäischer Länder) setzt massiv auf Wasserstoffimport aus Ländern, in denen die Erzeugung z.B. durch Solarenergie günstiger erfolgen kann als in Deutschland, etwa in Marokko oder Namibia. Dies erfordert massive Investitionen sowohl in Europa, als auch in den genannten Ländern – und in die Infrastruktur dazwischen: Solaranlagen, Entsalzungsanlagen, Elektrolyseure, Kompressoren, Pipelines, Verladehäfen, Schiffe, Entladehäfen….
Eine gewaltige neue Nachfrage nach diesen Produkten wird entstehen.
Das Wettrennen hat schon begonnen
Wenn US-Präsident Biden in Glasgow den Entwicklungsstaaten jovial Hilfe verspricht, so klingt ihm vielleicht noch der Saudi-Öl-Deal der USA aus den 70er Jahren in den Ohren: Eine Partnerschaft zum Ausbau der Infrastruktur, exklusiv über amerikanische Firmen.
Von jedem Petrodollar an die Scheichs floss so ein angemessener Anteil wieder zurück in amerikanische Taschen der Betreiber von Ölförderanlagen, Verladehäfen, Pumpenherstellern etc. im mittleren Osten.
Man kann davon ausgehen, dass mittlerweile auch dort der Ruf gehört wurde und die damals starken Player sich mit ihren inzwischen vollen Taschen neu orientieren werden.
Doch auch Stromkonzerne wittern ihre Chance, in das Geschäft mit dem einfacher transportierbaren Wasserstoff einzusteigen. Allerdings sind sie im Gegensatz zu den Fossilplayern bisher meist höchstens national aufgestellt gewesen – die Sicherung der nationalen Stromversorgung erfolgte durch Verstromung importierter Primärenergie im Lande, so dass als Aufgabe “nur “blieb, entsprechend effiziente Kraftwerke und passende Vorratsspeicher für den Rohstoff anzulegen.
Das Umdenken auf ein globales Spiel um einen neuen Importrohstoff fordert von den nationalen, mancherorts noch im Staatsbesitz befindlichen Energiekonzernen und den Fossilrohstoffhändlern eine massive strategische Neuausrichtung.
Und dann ist die Frage nach den Akteuren, die ggf. keine spezielle fachliche Kompetenz in der Wertschöpfungskette “Energie” mitbringen, dafür aber jede Menge Kapital, das aktuell händeringend nach Profit versprechenden Anlagemöglichkeiten sucht: die großen Investmentfonds von Blackrock, KKR bis Softbank, die Staatsfonds der Norweger, Chinesen und aus dem mittleren Osten – die aber einen entscheidenden Vorteil haben: sie agieren schon auf einem entfesselten, internationalen Kapitalmarkt.
Wer wird groß werden, wer wird sich in die Bedeutungslosigkeit schrumpfen, wer wird auf welche Karte setzen? Angesichts der Riesenaufgabe Energiewende wird diese Frage in den nächsten Jahren sehr spannend werden.