Erfreulicherweise geht die weltweite Umstellung auf Erneuerbare schneller voran, als von den Experten erwartet. Aber es zeigt sich, dass die Welt ein Energiespeicherproblem bekommt: Die Innovation auf dem Speichermarkt hält mit dem Ausbau der Erneuerbaren nicht Schritt, um die produzierte Energie auch wirklich vollständig adäquat zur Nutzung zur Verfügung zu stellen. Und ohne Speichertechnologien geht immer noch zu viel verloren – im Jahr 2022 wurden in Deutschland über 8.000 Terawattstunden abgeregelt. Und im 1. Quartal 2023 immerhin 5,29% der gesamten Menge an erneuerbar erzeugtem Strom. Grund genug, über die effizienteste Speicherlösung nachzudenken – schließlich eröffnen sich hier großartige Marktchancen. Aber welche Lösung ist die machbarste und günstigste – und das vor allem für weltweite Einsatzgebiete?
Natürlich bieten sich Pumpspeicherkraftwerke als beste Lösung dort an, wo die Gegebenheiten das zulassen. Die Nutzung von Turbinen als Pumpen und die Lageenergie von Wasser in großen Höhen ermöglicht die Speicherung großer Volumina mit hoher Verfügbarkeit und hohem Effizienzgrad. Aber die Gegebenheiten sind nicht überall vorhanden, auch, wenn das Potential von stillgelegten Bergwerken vielleicht immer noch weiterer Erforschung wert wäre.
Trotzdem scheint das Konzept der Nutzung von Lageenergie aus ökonomischer Sicht dem Ressourcenhunger chemischer Speicher wie Batterien überlegen – allerdings erfordert es eben viel Masse für nur verhältnismässig wenig Effekt. Trotzdem wurde z.B. das Schweizer Unternehmen EnergyVault mit seiner Kranlösung vom WEF schon 2020 als “Technical Pioneer” ausgezeichnet. Dies hat bei uns zu der Überlegung geführt: Könnte man, statt neue Kräne zu bauen, nicht einfach die bestehenden Baukräne in ihren Ruhezeiten als temporäre Energiespeicher nutzen?
Warum? Die meisten herkömmlichen Baukräne funktionieren elektrisch. Und sie sind meist so ausgestattet, dass sie die beim Ablassen gewonnene Energie zwischenspeichern – allerdings ohne Einspeisung in ein Netz. Ideale Voraussetzungen eigentlich – keine großartigen zusätzlichen Investitionen, sondern, mit dem Lieblingswort der BWLer, größtenteils “eh-da”-Kosten, wenn man die Kräne in den Phasen ihrer Nicht-Auslastung dazu nutzt.
Aber wie groß ist das Potential? Eine simple Rechnung: 1 Kilowattstunde entspricht 3,6 Megajoule, und ein Joule ist definiert als 1 kg m² / s². Werden also mit einem Baukran 10 Tonnen alle 3 min mit 75% Rekuperationseffizienz 50 m abgelassen, die vorher mit kostenfreiem Überschuss-Strom aufgetürmt worden waren, dann könnten damit in einer Stunde 20,437 KWh rückgewonnen werden.
Was erst einmal nach viel klingt, wird schnell ernüchternder, wenn wir uns den Wert dieses rückgewonnenen Stroms anschauen: In Deutschland zahlt der Endverbraucher ca. 35 cent/KWh (inklusive aller Umlagen, am Spotmarkt wurder der Strom selbst im Krisenjahr 2022 im Schnitt mit ca. 3 cent gehandelt). Der rückgewonnene Strom hätte also einen Wert beim Endverbraucher von 7,15 €. Dafür liefe dann aber eine Stunde ein Baukran – mit Verbrauch an Schmierstoffen, Wartung, Notwendigkeit der Absicherung und Überwachung etc.
Selbst für einen Einsatzzweck in Schwellenländern scheint das sehr wenig – auch, wenn man die Prämie dafür mit einrechnet, dass der Strom damit auch während der berühmten Dunkelflaute zur Verfügung steht. Aber vielleicht dennoch eine Überlegung wert, wenn man bedenkt, wie viele Kräne weltweit herumstehen (Spoiler: ca. 200.000). Nötig wäre “nur” die Schaltung, die beim Überangebot das Stapeln veranlasst und bei Abruf den Abbau – und eine entsprechende Anbinung an das Stromnetz, damit der Kran den zurückgewonnenen Strom auch wieder einspeisen kann. Der letzte Punkt scheint dabei der kniffligste – und es sind ja oft die kleinsten Hindernisse, an denen die großen Ideen auch scheitern. Aber vielleicht findet ein kluger Kopf ja auch dafür eine gute Lösung. Zumindest für so gigantische Krananlagen wie z.B. in Containerterminals böte sich hier vielleicht die Chance eines Zusatznutzens.